Verjährung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Zinsanpassung bei Prämiensparverträgen

Kritische Auseinandersetzung mit der Entscheidung des OLG Dresden in der Musterfeststellungklage gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig vom 22.04.2020 (Az: 5 MK 1 /19)

Die Frage der Verjährung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Zinsanpassung bei Prämiensparverträgen ist eine hoch umstrittene Frage, die derzeit die Gemüter der Sparkassen und ihrer Sparkunden bewegt.

Die Entscheidung des OLG Dresden vom 22.4.2020 in der Musterfeststellungsklage gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig gibt Anlass, sich damit intensiv auseinanderzusetzen.

Zinsanpassungsklausel nach „billigem Ermessen“ seit BGH 17.2.2004 unzulässig

Hintergrund dieses Rechtsstreits ist die Vereinbarung von variablen Zinsen mit einer Zinsanpassung „im billigen Ermessen der Sparkasse“ bei langfristigen Sparverträgen, insbesondere dem S-Prämiensparen flexibel in den 1990 er Jahren. Diese Anpassung der Zinsen mittels Preisaushang wurde für Kontokorrentkredite vom BGH noch mit Urteil vom 14.4.1992 (XI ZR 196/91) gebilligt.

Für Sparverträge erteilte der BGH dem aber am 17.2.2004 (AZ: XI ZR 140/03) eine Absage. Der BGH hat es den Kreditinstituten darin zur Aufgabe gemacht, die Zinsanpassung an einer Referenzgröße des Kapitalmarkts zu orientieren, die den Gegebenheiten des jeweiligen Spargeschäfts möglichst nahekommen.

Die betroffenen Kreditinstitute sind daraufhin früher oder später dieser neuen Rechtslage nachgekommen. Die neu abgeschlossenen Verträge wurden mit einer Klausel versehen, die die Zinsanpassung an einen Referenzzins oder einer Mischung aus mehreren Referenzzinsen knüpfte. Dabei haben es jedoch viele Institute unterlassen, diese Orientierungsgröße mit ihren Bestandskunden einzelvertraglich oder generalisiert zu vereinbaren.

Rechtsfolge der unwirksamen Zinsanpassungsklausel = ergänzende Vertragsauslegung

Rechtsfolge der unzulässigen Zinsanpassungsklausel ist die sogenannte ergänzende Vertragsauslegung. Dies bedeutet, dass bezüglich der Zinsanpassung Parameter gefunden werden müssen, die die Parteien in Kenntnis der wahren Rechtslage bei Abschluss des Vertrages vereinbart hätten. Anschließend wäre durch eine Neuberechnung der Zinsen anhand der festgelegten Parameter zu ermitteln, ob diese von den tatsächlich gezahlten Zinsen abweichen. Dementsprechend würde sich eine Zinsgutschrift oder Zinsnachzahlung ergeben.

Da aber nach der Entscheidung des BGH im Jahre 2004 recht wenige Kunden ihren Anspruch tatsächlich geltend gemacht haben, werden diese nunmehr insbesondere im Zusammenhang mit den vielerorts zu beobachtenden Kündigungen der S-Prämiensparen flexibel-Verträge gefordert.

Verjährung – Was, wann, wie lange

Da hier Verträge betroffen sind, die schwerpunktmäßig in den Jahren 1993 bis ca. 2005 abgeschlossen wurden und damit sehr alt sind, stellt sich die Frage der Verjährung etwaiger Ansprüche. Bevor auf die dazu vertretenen unterschiedlichen Ansichten eingegangen wird, soll zunächst herausgearbeitet werden, um was für einen Anspruch es sich überhaupt handelt. Gerade die Ausführungen des OLG Dresden in dem Urteil vom 22.04.2020 (AZ: 5 MK 1/19) zur Frage der Verjährung (Rz. 87 ff.) geben Anlass sich die einzelnen Rechtsfragen zu vergegenwärtigen.

Unterscheidung der Ansprüche im Zusammenhang mit dem Sparvertrag

Gemäß § 194 BGB unterliegt das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), der Verjährung.

Im Zusammenhang mit Sparverträgen sind dabei unterschiedliche Ansprüche des Sparers gegen das Kreditinstitut nebeneinander denkbar.

Die Unterscheidung nach unterschiedlichen Ansprüchen ist deswegen wichtig, da die Verjährung für jeden einzelnen Anspruch separat eintreten kann und daher Verjährungsbeginn und -ende auch separat ermittelt werden müssen.

So war es bei Abschluss der meisten Verträge noch so, dass Ansprüche auf wiederkehrende Leistung, wozu auch Zinsen gehören, gem. § 197 BGB a.F. der vierjährigen Verjährungsfrist unterlagen, während der Anspruch auf Kapitalrückzahlung der 30-jährigen Regelverjährung unterlag. Dies wurde erst durch die Schuldrechtsreform mit Wirkung zum 01.01.2002 auf 3 Jahre vereinheitlicht. Aber auch heute ist noch anerkannt, dass Zinsen und der Hauptanspruch als separate Ansprüche unterschiedlich verjähren können, was sich nicht zuletzt aus § 217 BGB ergibt.

Anspruch auf Kapitalrückzahlung

Zum einen ergibt sich bei einem Sparvertrag der Anspruch auf Rückzahlung des Sparkapitals. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 14.5.2019 (AZ: XI ZR 345/18) den Prämiensparvertrag als unregelmäßigen Verwahrvertrag gemäß § 700 BGB eingestuft (Rz. 23). Gemäß § 700 Abs. 1 . 3 BGB sind für die Rückzahlung die Vereinbarungen des Vertrages maßgeblich. Gem. Ziff. 4 der Bedingungen für den Sparverkehr bedarf es einer ordentlichen Kündigung  mit einer Frist von 3 Monaten für den Sparer. Für das Kündigungsrecht der Sparkasse hat der BGH in seiner Entscheidung vom 14.05.2019 (Rz. 33) die Klausel des Nr. 26 AGB Sparkassen anerkannt, sofern die höchste Prämienstufe für den Kunden erreicht ist.

Anspruch auf Zinsen

Als gesetzliche Regelung sind beim unregelmäßigen Sparvertrag die §§ 698, 699 BGB anwendbar. Gem. § 699 Abs. 1 S. 2 BGB sind abschnittsweise Vergütungsregelungen zulässig. Diese wurden vereinbart.

Die Regelungen zu den Zinsen bei Sparguthaben ist für den hier relevanten Zeitraum immer gleich geblieben. In Ziffer 3.3 der Bedingungen für den Sparverkehr heißt es:

„Soweit nichts anderes vereinbart ist, werden die aufgelaufenen Zinsen zum Schluss eines Geschäftsjahres gutgeschrieben, dem Kapital hinzugerechnet und mit diesem vom Beginn des neuen Geschäftsjahres an verzinst. Wird über die gutgeschriebenen Zinsen nicht innerhalb von 2 Monaten nach Gutschrift verfügt, unterliegen sie der im Übrigen vereinbarten Kündigungsregelung.“

Die Zinsen werden demnach dem Kapital zugeschlagen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach Gutschrift abgehoben werden. Würde es bei dem Charakter der Zinsen bleiben, könnte dieser Zinsbetrag nicht erneut mit verzinst werden, was sich aus dem Zinseszinsverbot nach § 248 BGB ergibt.

Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass es sich dabei um eine Schuldumschaffung handelt. Diese führt zwar grundsätzlich dazu, dass der eine Anspruch (Zinsen) untergeht und in das Kapital „umgeschafft“ wird. Damit geht der Zins in seinem Charakter unter und wird zu Kapital, womit die Verjährungsvorschriften auch dem neuen Charakter Kapital entnommen werden. So ist auch die vertragliche Regelung in Ziff. 3.3. der Sparbedingungen. Dies setzt aber voraus, dass der Anspruch auf das Kapital geltend gemacht wird.

Sondern der Anspruch des Kunden richtet sich auf die Korrektur der jährlichen Zinsgutschrift, die sich dann in das Kapital umwandelt. Denn nur auf diesen Betrag kommt es an.

Überträgt man dieses auf die Grundvorschrift zur Verjährung (§ 194 BGB), so liegt das Recht des Sparkunden, von der Sparkasse ein Tun zu verlangen, in dem vertraglichen Anspruch auf jährliche Zinsgutschrift auf dem Sparkonto. Erfolgt diese Gutschrift nicht, kann der Kunde diesen vertraglichen Anspruch eigenständig einklagen. Damit unterliegt dieser Anspruch auch eigenständig der Verjährung.

Anspruch auf ergänzende Vertragsauslegung?

Die Rechtsfolge aus der fehlerhaften Zinsanpassungsklauseln ist die ergänzende Vertragsauslegung. Diese selbst ist kein eigener Anspruch. Das Gericht schafft mit der ergänzenden Vertragsauslegung keine neue Rechtslage sondern stellt auch hier lediglich nach vorgegebenen Grundsätzen die bestehende Rechtslage fest (so OLG Düsseldorf  Urteil vom 27.01.2016 – I-14 U 181/14 und LG Frankfurt 11.01.2019, Az: 2 – 18 = 211/17). Aus ihr folgt jedoch eine Modifikation des Zinsanspruches und damit ein Anspruch auf die Durchführung einer Zinsneuberechnung, wenn die bisherige Zinsberechnungsmethode nicht mit der nach der ergänzenden Vertragsauslegung übereinstimmt. Als Anspruchsgrundlage kommt dabei vor allem § 280 BGB in Betracht. Das Kreditinstitut ist seiner Verpflichtung, die Zinsen ordnungsgemäß anhand der im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelten Parameter zu ermitteln und einmal jährlich gutzuschreiben nicht vollständig nachgekommen und hat damit eine vertragliche Pflicht verletzt. Da es sich dabei um einen eigenständigen Anspruch im Sinne von § 194 BGB handelt, kann auch dieser Schadensersatzanspruch selbständig verjähren.

Folglich sind in dieser Konstellation der Prämiensparverträge im Wesentlichen drei verschiedene Ansprüche des Kunden gegen die Sparkasse denkbar.

Zum einen handelt es sich um die Rückzahlung des Kapitals (inklusive der zwischenzeitlich kapitalisierten Zinsen), welcher hier dem Grunde nach nicht streitig ist. Der 2. Anspruch besteht in der vertraglichen Verpflichtung zur jährlichen Zinsgutschrift auf dem Sparkonto. Unstreitig dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass die Sparkassen jährlich die Zinsabrechnung durchgeführt haben. Lediglich die Höhe ist streitig, woraus sich der 3. Anspruch aus § 280 BGB ergibt. Dieser stellt den Kernpunkt der Auseinandersetzung dar.

Fristbeginn – Anspruchsentstehung

Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist 3 Jahre. Streitig ist jedoch, wann diese Frist beginnt.

Nach der gesetzlichen Regelung in § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Frist dann, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen musste.

In diesem Zusammenhang ist auch § 199 Abs. 4 BGB von Bedeutung, nachdem die Ansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 10 Jahren von ihrer Entstehung an verjähren.

Anspruchsentstehung bei Kapitalrückzahlung mit Kündigung

Wendet man dies auf die unterschiedlichen Ansprüche im Zusammenhang mit den Sparverträgen an, so ist das Ergebnis bezüglich der Rückzahlung des Kapitals relativ einfach. Die Verjährung beginnt in dem Moment, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Rückzahlung des Kapitals entsteht bei Fälligkeit. Diese wiederum wird durch Kündigung hervorgerufen. Für den Sparer ergibt sich das aus den vertraglichen Vereinbarungen (3-monatige Kündigungsfrist). Für das Kreditinstitut hat der BGH in seiner Entscheidung vom 14.5.2019 (AZ: XI ZR 345/18) klargestellt, dass das Kreditinstitut ebenfalls mit einer Frist von 3 Monaten zur Kündigung berechtigt ist. Voraussetzung ist jedoch zusätzlich, dass der Sparer zumindest einmal in den Genuss der höchsten Prämienzahlung gekommen ist (s.o.). Mit Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist ist der Anspruch auf Kapitalrückzahlung fällig und unterliegt ab diesem Zeitpunkt der regelmäßigen dreijährigen Verjährung. Unstreitig dürfte auch sein, dass die zwischenzeitlich kapitalisierten Zinsen als Bestandteil des Kapitals ebenfalls mit Ablauf der Kündigungsfrist fällig werden und erst dann die Verjährungsfrist beginnt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Zinsen durch den vertraglich vereinbarten Zuschlag zum Kapital ihren Charakter als Zinsen verloren haben und nicht mehr unterscheidbar im Kapitalbetrag enthalten sind.

Anspruchsentstehung Zinsgutschrift

Davon zu unterscheiden ist jedoch, wann der Anspruch auf Zinsgutschrift gemäß § 199 Abs. 1 Nummer 1 BGB entstanden ist. Nach den vertraglichen Regelungen ist dieses klar bestimmt. Danach hat die Zinszahlung zum Schluss des jeweiligen Geschäftsjahres zu erfolgen. Die Sparkasse befindet sich also bereits am ersten Tag des neuen Geschäftsjahres im Verzug, wenn sie die Zinsen dem Sparkonto nicht gutgeschrieben hat.

Fälligkeit des Zinsanspruchs bedeutet nicht zwingend Auszahlungsanspruch

Die in sich widersprüchlichen Ausführungen des OLG Dresden in seinem Urteil vom 22.4.2020 gehen aber offensichtlich davon aus, dass für den Verjährungsbeginn nicht nur die Anspruchsentstehung durch Gutschrift auf dem Sparkonto vorliegen muss, sondern auch ein Auszahlungsanspruch des Sparers gegen die Sparkasse. Zwar setzt der die Anspruchsentstehung grundsätzlich auch die Fälligkeit voraus. Die Frage der Fälligkeit bedeutet aber nicht zwingend auch einen Auszahlungsanspruch des Kunden. Die Fälligkeit muss nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen bestimmt werden. Hier besteht der fällige Anspruch nicht in der Auszahlung sondern in der Gutschrift auf dem Sparkonto.

Zinsanspruch als sog. „verhaltener“ Anspruch?

Anders als mit der Gleichsetzung von Fälligkeit und Auszahlungsanspruch lässt es sich nicht erklären, warum das OLG Dresden den hier gegebenen Zinsanspruch als einen sogenannten „verhaltenen“ Anspruch einstufen will (Rz. 89).

Dieser sei dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner die Leistung nicht erbringen darf, bevor der Gläubiger sie verlangt.

Dieses überzeugt aus zweierlei Gründen nicht. Die vom Gläubiger verlangte Leistung ist die vertraglich vereinbarte Zinsgutschrift auf dem Sparkonto. Die Sparkasse ist vertraglich zur Leistung verpflichtet und muss sie auch erbringen. Unterstellt man jedoch, dass der Gläubiger auch die Auszahlung der Zinsen verlangen können muss, so ist auch dieses zumindest für die ersten zwei Monate des folgenden Geschäftsjahres gegeben. Dies sieht das OLG Dresden zwar, wertet dieses aber aus unerfindlichen Gründen nicht entsprechend. Offensichtlich muss dieser Anspruch nach dem OLG über diese zwei Monate hinaus fortbestehen. Warum dies der Fall sein soll, erläutert das OLG jedoch nicht.

Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für den Verjährungsbeginn die Anspruchsentstehung ist. Im Gegensatz zum Rückzahlungsanspruch des Kapitals, der eine Kündigung und damit das Auslösen der Fälligkeit voraussetzt, ist dies bei dem im Vertrag zeitlich bestimmten Anspruch auf Zinsgutschrift nicht der Fall.

Vor diesem Hintergrund ist die Aussage in Randziffer 87 des Urteils, die Zinsansprüche entstehen erst mit der Beendigung des jeweiligen Vertrages, gemeinsam mit der Begründung der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs im Hinblick auf das Kapital, schlicht falsch. Der Anspruch auf Auszahlung der Zinsen entsteht mit Gutschrift auf dem Sparkonto zumindest für zwei Monate. Im Übrigen wandeln sich die Zinsansprüche in Kapital um, weswegen sie natürlich zusammen mit diesem fällig werden.

Soweit das OLG dann in Rz. 89 den BGH zitiert: „Im Sparverkehr werden Zinsen grundsätzlich zum Ende eines Kalenderjahres gutgeschrieben und, soweit der Sparer darüber nicht innerhalb der vereinbarten Frist verfügt, der Spareinlage zugerechnet mit der Folge, dass der dafür geltenden Kündigungsregelung unterliegen.“ entspricht dies Ziffer 3.3 der Bedingungen für den Sparverkehr. Für den hier vorliegenden Sachverhalt ist dies jedoch aus den vorgenannten Gründen nicht aussagekräftig. Auch in der zitierten Entscheidung des BGH vom 4.6.2002 (XI ZR 361/01) ging es um die Auszahlung des Kapitals insgesamt, und nicht um den Anspruch auf Zinskorrektur. Daher ist diese Entscheidung für den hier relevanten Sachverhalt nicht aussagekräftig.

Das OLG vertritt dann in Rz. 90 die Auffassung, der Zinsanpassungsanspruch ergebe sich erst mit Rückzahlung des Kapitals. Lediglich die Gutschrift erfolge zum Ende des Geschäftsjahres. Damit würde ein einheitlich vereinbarter Rückzahlungsanspruch verbunden mit der Auszahlung des Zinses künstlich aufgespalten. Denn einen Anspruch auf Auszahlung der Guthabenzinsen habe man gerade nicht vereinbart. Dies ist wie bereits erwähnt falsch. Zum Einen kann der Kunde innerhalb der ersten zwei Monate die Zinsen abheben. Aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so kommt es hier nach den vertraglichen Vereinbarungen gerade nicht auf den Auszahlungsanspruch, sondern auf die Gutschrift an. Das OLG verbindet also künstlich unterschiedliche Ansprüche, die unterschiedliche Anspruchsgrundlagen haben (s.o.).

Gänzlich unverständlich sind die Ausführungen in Rz. 91. Dort vermengt das OLG den Anspruch auf Zinsgutschrift der variablen Grundverzinsung mit dem vertraglichen Anspruch auf Zahlung der Prämie. Die Zinsgutschrift sei nur ein weiterer Rechnungsposten in der Gesamtabrechnung des von den Verbrauchern der Beklagten gewährten Darlehensvertrag. Abgesehen davon, dass es sich um einen unregelmäßigen Verwahrvertrag und nicht um einen Darlehensvertrag handelt, ist schon nicht nachvollziehbar, warum es sich um einen Rechnungsposten handeln soll und welche rechtliche Qualifikation dem zugeordnet werden soll.

Rechnungsabschluss der Zinsgutschrift

Hierzu soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass den Sparern jährliche Kontoauszüge zugestellt wurden. Darin wurden die Kunden wie bei einem Rechnungsabschluss dazu aufgefordert, die vorgenommenen Buchungen und Abrechnungen zu prüfen. Sollten innerhalb von 6 Wochen keine Einwendungen erhoben werden, gelten die Buchungen und Abrechnungen als genehmigt. Alleine daraus ergibt sich, dass es sich nicht lediglich um Rechnungsposten handelt, sondern die Sparkasse der Zinsgutschrift die Bedeutung des Rechnungsabschlusses wie bei einem Kontokorrentkonto beimessen wollte.

Somit kann es nur auf den Zeitpunkt der Zinsgutschrift ankommen. Denn nur dieser ist auch der Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit der Überprüfung der korrekten Zinsermittlung für den Kunden.

Dem OLG Dresden ist aber zuzugeben, dass der 5. Feststellungsantrag insoweit nicht zielführend formuliert wurde. Denn der Feststellungsantrag begehrt die Feststellung, dass ein Anspruch auf das Guthaben einschließlich der zu berechnenden Zinsen frühestens ab dem Zeitpunkt der wirksam Beendigung des Sparvertrages fällig wird. Das dem so ist, ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen (3.3 der Bedingungen für den Sparverkehr). Auf die Fälligkeit kommt es jedoch für die Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 Nummer 1 BGB nicht an, sondern auf die vertraglich vereinbarte Anspruchsentstehung auf Zinsgutschrift auf dem Sparkonto.

Da die Kreditinstitute der Zinszahlung jährlich nachgekommen sind und das im Regelfall unstreitig ist, ist dieser vertragliche Anspruch grundsätzlich erfüllt, wenngleich die Zinsen nicht korrekt ermittelt wurden.

Zinskorrekturanspruch

Entscheidend ist aber hier der dritte mögliche Anspruch des Sparers gegen das Kreditinstitut, nämlich der auf Zinskorrektur gemäß § 280 BGB. Das Kreditinstitut hat zwar jährlich dem Sparer die von ihm ermittelten Zinsen gutgeschrieben. Da sich aus der ergänzenden Vertragsauslegung ergibt, dass das Kreditinstitut die Zinsanpassung anhand einer festen Referenzgröße vornehmen muss, und die Kreditinstitute diesem nicht nachgekommen sind, ist darin eine Pflichtverletzung zu erblicken. Daraus ergibt sich gem. § 280 BGB ein Schadensersatzanspruch, nach dem der Kunde so zu stellen ist, als wenn die Zinsen korrekt berechnet worden wären. Das entsprechende Korrekturergebnis ist dem Konto entweder zu belasten oder gutzuschreiben.

Nach anderer Ansicht kann die Zustimmung im Rahmen des Rechnungsabschlusses kondiziert werden nach Bereicherungsrecht § 812 BGB. Für die gleichlautende regelmäßige Verjährung kommt es auf dies Unterscheidung jedoch nicht an.

Wann dieser Anspruch gemäß § 199 Abs. 1 BGB entstanden ist, lässt sich nach den gesetzlichen Bestimmungen und der bisherigen Rechtsprechung des BGH einfach ermitteln.

Da der Anspruch auf Zinsgutschrift jeweils zum Schluss des Geschäftsjahres (im Regelfall das Kalenderjahr) zu erfolgen hat (3.3 der Sparbedingungen), kann der Sparer am ersten Geschäftstag des folgenden Geschäftsjahres die Zinsgutschrift zur Kenntnis nehmen und auf seine Richtigkeit überprüfen.

Der Sparer muss zudem nach § 199 Abs. 1 Nummer 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangen oder grob fahrlässig nicht erlangen. Nach den Grundsätzen des BGH ist dies der Fall, wenn dem Anspruchsberechtigten zumindest die Erhebung einer Feststellungsklage zumutbar ist. Spätestens seit der Entscheidung des BGH vom 17.2.2004 war höchstrichterlich geklärt, dass die Vertragsklausel mit Zinsanpassung nach billigem Ermessen nicht den gesetzlichen Ansprüchen genügt. Von diesem Zeitpunkt an konnte der Sparer also nahezu risikolos eine Zinsnachberechnung seines Sparvertrages verlangen, und dies auch für den Zeitraum seit Beginn des Vertrages. Denn die absolute Frist von 10 Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB wird zu diesem Zeitpunkt bei vielen Verträgen noch nicht abgelaufen sein. Dieser Korrekturanspruch unterlag mithin der 3-jährigen Verjährung und endete mit dem 31.12.2007.

Selbst das OLG Dresden erkennt dies in seinen Ausführungen zum Feststellungsantrag Nummer 6. Danach soll der Kunde Kenntnis von der fehlerhaften Zinsgutschrift spätestens mit dem 31. Mai des folgenden Geschäftsjahres haben. Denn Zinsen würden der Kapitalertragssteuer unterliegen und der Kunde hätte diese spätestens in seiner Steuererklärung anzugeben, die er nach den gesetzlichen Vorgaben bis zum 31. Mai des Folgejahres zu erstellen hat (Rz. 97)

In der Vergangenheit gab es immer wieder Stimmen, die beim Anspruch aus ergänzender Vertragsauslegung den Verjährungsbeginn erst mit dem Urteil beginnen lassen wollten, indem diese ergänzende Vertragsauslegung mit den entsprechenden Parametern festgelegt wurde.

Seit dem Beschluss des BGH vom 26.09.2017 (Az: XI ZR 78/16), der auf ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.01. 2016 (AZ: I -14 U 181/14) folgte, darf diese Ansicht jedoch als überholt gelten.

In dem Urteil des OLG Düsseldorf ging es um die Frage, wann die Verjährung bei einer fehlerhaften Zinsanpassungsklausel eines Kontokorrentkredits beginnt. Das OLG hatte den Beginn der Verjährung auf den Zeitpunkt der Zinsberechnung festgelegt und zwar unabhängig davon, ob der Kontokorrentsaldo insgesamt bereits durch Kündigung fällig geworden war. In seinem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde hat der BGH dann ausdrücklich klargestellt, dass die Verjährung nicht erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem das Urteil über die ergänzende Vertragsauslegung ergeht, sondern mit der jeweiligen Zinszahlung. Er hat dies ausdrücklich für alle Fälle der ergänzenden Vertragsauslegung bei fehlerhaften Zinsanpassungsklauseln klargestellt und auch Bezug auf ein Urteil genommen, das zu einem Sparvertrag ergangen war (Urteil vom 14.3.2017, AZ: XI ZR 508/15).

Dies überrascht auch insoweit nicht, als dass beiden Verträgen (Sparvertrag und Kontokorrent) gemeinsam ist, dass das Ergebnis der erfolgten Zinsberechnung dem Kapital zugeschlagen wird und eine Schuldumschaffung gem. § 781 BGB in das Kapital erfolgt. Unterschiedlich ist lediglich, dass der Anspruch des Bankkunden sich bei dem Kontokorrent auf die Rückforderung überzahlter Zinsen und damit um einen Anspruch aus § 812 BGB handelt, während der Sparkunde eine Nachzahlung zu niedriger Zinsen erwartet. Geht man nicht von einer Kondizierung des Rechnungsabschlusses auch des Sparkunden nach § 812 BGB aus, so ergibt sich der Anspruch aus § 280 BGB (s.o.)

Im Ergebnis kann also festgehalten werden, dass der Anspruch auf Zinskorrektur mit der jeweiligen Zinszahlung und Kenntnis des Kunden hiervon entstanden ist. Die Zinsgutschrift wird im Regelfall am letzten Geschäftstag des Kalenderjahres gebucht und ist damit für den Kunden frühestens am ersten Geschäftstag des folgenden Kalenderjahres ersichtlich. Erst mit dieser Kenntnis beginnt die Verjährung zu laufen.

Unabhängig von der Bewertung des OLG Dresden, dass eine grob fahrlässige Unkenntnis jedenfalls mit dem Ablauf des 31.05. des Folgejahres vorliegt, so wird man doch davon ausgehen können, dass der Kunde mit Übersendung der für die Prämiensparverträge jährlich übersandten Kontoauszüge Kenntnis von der Zinsgutschrift nehmen musste. Eine Kenntnisnahme im auf die Zinsgutschrift folgenden Jahr sollte aber immer unterstellt werden. Auf den genauen Zeitpunkt kommt es für die 3-jährige Verjährung nicht an, da diese erst immer zum Schluss des Kalenderjahres beginnt.

Ermittelt man ausgehend vom Jahr 2020 die Verjährung, so sind alle Ansprüche, deren Kenntnis im Jahr 2017 und später vorlag, noch nicht verjährt. Da die Zinsgutschrift für das Jahr 2016 erst in 2017 dem Kunden zur Kenntnis erlangt ist, dürfte ein Anspruch des Kunden auf Zinskorrektur seit dem Jahr 2016 vorliegen.

Übergangsvorschriften für die Zeit vor der Schuldrechtsreform

Wie bereits oben ausgeführt, wurden viele der jetzt betroffenen Verträge noch vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform und der damit verbundenen Harmonisierung der Verjährungsvorschriften abgeschlossen.

Für die Frage der Verjährung ist dies aber im Ergebnis nicht von Belang. Entweder man vertritt mit dem OLG Dresden die Auffassung, die Verjährung beginne erst mit Fälligkeit des Kapitals, dann sind die alten Verjährungsvorschriften unerheblich.

Geht man von der hier vertretenen Ansicht aus, dass die Verjährung mit der Zinsen nach §§ 194, 195, 199 BGB innerhalb von 3 Jahren nach Gutschrift ergibt, so ergibt sich auf für Altansprüche nichts anderes.

Maßgebliche Übergangsvorschrift ist Art. 229 § 5 und § 6 EGBGB.

Nach Ar.t 229 § 5 Satz 2 BGB gilt für Dauerschuldverhältnisse, dass ab dem 01.01.2003 die Regelungen des dann geltenden BGB gelten sollen.

Für die Verjährung gilt Art. 229 § 6 EGBGB. Grundsätzlich gilt nach Abs. 1 das neue BGB auf nicht verjährte Ansprüche Anwendung.

Geht man also davon aus, dass die Zinsgutschrift auf dem Sparkonto den Verjährungsbeginn auslöst, so verjährten diese nach dem Recht bis zum 01.01.2002 gem. § 197 BGB a.F. in 4 Jahren. Somit sind die Zinsansprüche, die  vor dem Jahr 1997 entstanden sind, bereits am 01.01.2002 verjährt gewesen. Im Übrigen regelt Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB die Verjährung der Zinsansprüche, da diese nach neuem Recht kürzer (3 Jahre) als nach altem Recht (4 Jahre) verjähren. Danach ist der Ablauf der Verjährungsfrist danach zu bestimmen, welche der Fristen (nach altem oder neuen Recht) früher abläuft. Selbst wenn man die Höchstfrist von 10 Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB zugrunde legte, wären die Ansprüche bereits seit 2012 verjährt.

Berechnungsparameter

Fraglich sind dabei auch die Berechnungsparameter, insbesondere die Ermittlung des Referenzzinses. Unabhängig davon, welcher Referenzzins nun als für die Prämiensparverträge im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung herangezogen wird, stellt sich die Frage, ob man diesen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder auf den Beginn der Verjährung (für 2020 also den am 01.01.2016) abstellt.

Für beide Varianten sprechen gute Argumente.

Während man auf der einen Seite der Auffassung sein kann, dass die Ansprüche auf die Zinskorrektur vor einem bestimmten Zeitpunkt (2016) verjährt sind und damit die Berechnung ganz neu beginnt, dürfte auch die Auffassung, die ergänzende Vertragsauslegung bezieht sich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurück und wirkt sich auch bei Verjährungsbeginn immer noch entsprechend aus, vertretbar sein.

Verjährung  interessengerecht

Die hier vertretene Auffassung hält auch der übergreifenden Prüfung der Verjährungsregeln stand.

Die gesetzgeberische Motivation des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Schuldrechtsreform war nicht nur die Vereinheitlichung der unterschiedlichen und teils nicht nachvollziehbaren Verjährungsregeln. Sondern es sollte auch ein früherer Rechtsfrieden erreicht werden. Auch die europäischen Vorschriften sahen eine Grundlinie der Verjährung nach 3 Jahren vor, gekoppelt mit einem Kenntnis-Element. Unabhängig von der Kenntnis soll die Verjährung nach § 199 Abs. 4 BGB nach max. 10 Jahren eintreten.

Für die Frage der Zinskorrekturansprüche enthält das Urteil des LG Frankfurt vom 11.01.2019 (2-18 O 211/18) ab Rz. 19 eine sehr gute Begründung.

Selbst Ansprüche aus Verletzung der körperlichen Unversehrtheit verjähren nach 30 Jahren

Es wird ausgeführt, die Auffassung, die Verjährung beginne erst mit dem Urteil auf ergänzende Vertragsauslegung bzw. mit Kündigung des Vertrages, würde nicht in das System der Verjährungsregeln passen. Selbst die Rechte aus besonders geschützten Rechten, der körperlichen Unversehrtheit würden nach 30 Jahren nach Begehung der Tat verjähren. Da die Kontokorrentverträge (im entschiedenen Fall) oder hier die Sparverträge aber regelmäßig eine unbestimmte Laufzeit haben und durchaus auch mehrere Jahrzehnte laufen (können), könnte es passieren, dass es damit im Ergebnis zu längeren Verjährungsfristen führt als ebendiese sonst als Höchstfrist angesehenen 30 Jahre. Denn das Klagerecht wäre quasi nicht begrenzt.

Rechtsfrieden und Kalkulationssicherheit wird damit jedenfalls nicht geschaffen. Dies seien aber gewichtige Gründe für die Verjährung überhaupt. Zudem sei es nicht einzusehen, warum eine fehlerhafte Buchung mit den entsprechenden Folgefehlern durch den Zinseszinseffekt erst nach Jahrzehnten geltend gemacht werden kann.

Der BGH hat diese Auffassung ohne entsprechende Begründung durch seinen Beschluss vom 26.09.2017 (XI ZR 78/16) zudem gebilligt. Auch der VIII. Zivilsenat ist in der vergleichbaren Thematik zu Preisanpassungsklauseln bei Energielieferverträgen von einem Verjährungsbeginn mit Abrechnungserteilung ausgegangen.

Es ist auch kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, warum die Verjährung erst mit der Kündigung des Sparkapitals beginnen sollte.

Hier hilft auch nicht die Argumentation, die Sparkassen hätten es ja versäumt, eine vertragliche Vereinbarung mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel mit den Kunden zu vereinbaren. In Deutschland gilt immer noch die Maxime, dass ein Anspruchsinhaber für die Geltendmachung seines Anspruchs selbst verantwortlich ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH nützt ihm auch die Unkenntnis der Rechtslage nicht. Auch insofern ergibt sich also kein Wertungswiderspruch. Der Anspruchsinhaber hatte seit 2004 die Möglichkeit den Anspruch auf ergänzende Vertragsauslegung mit den Folgewirkungen der Zinskorrektur gerichtlich geltend zu machen. Dies haben auch diverse Kunden getan. Gerade bei der Verbreitung solcher für die breite Bevölkerung interessanter Urteile des BGH in der Tagespresse und im Internet wird den Interessen der Kunden auf Information zu ihren Rechten ausreichend Rechnung getragen.

Fazit

Das Urteil des OLG Dresden bedarf der Korrektur

Das Urteil des OLG Dresden überzeugt im Hinblick auf die Ausführungen zur Verjährung (Feststellungsziel 5) nicht. Die Begründungen sind teilweise in sich widersprüchlich und unterscheiden nicht hinreichend nach den unterschiedlichen Ansprüchen. Da das Feststellungsziel Nr. 5 so formuliert war, dass es für die hier relevante Frage der Verjährung unerheblich ist, hätte es dieser Ausführungen des OLG nicht bedurft.

Vielmehr ist von einer regelmäßigen Verjährung der Ansprüche auf Zinskorrektur ab dem Zeitpunkt der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Zinsgutschrift auf dem Sparkonto auszugehen. So hat es das OLG Dresden in dem Feststellungsziel 6 auch gut begründet.

Zum Gesamtüberblick über das Urteil des OLG Dresden vom 22.04.2020 siehe hier

Zur Kündigungsmöglichkeit des Prämiensparvertrages durch die Sparkasse siehe hier

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