Obwohl eigentlich durch das Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahr 2019 alles geklärt schien, bleibt die Kündigung von Prämiensparverträgen nach wie vor umstritten und beschäftigt viele Gerichte.
Die Kündigung von Prämiensparverträgen wird von vielen Sparkassenkunden angezweifelt. Im Wesentlichen werden 2 Punkte moniert.
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Ausweis eines zukünftigen Datums in dem Jahreskontoauszug oder in sonstigen Unterlagen als Fälligkeitsdatum (z.B. 99 Jahre)
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Zweifel am sachgerechten Grund nach Nr. 26 AGB Sparkassen
I. Vertragslaufzeit
Das OLG Celle setzt die Rechtsprechung des BGH fort, nachdem für die Vereinbarung einer festen Laufzeit nur der Vertragstext entscheidend ist. Der BGH hatte dies ausdrücklich für Werbeflyer entschieden. Siehe hier
Das OLG Celle hatte eine häufig anzutreffende Besonderheit zu entscheiden. Durch eine Systemumstellung im Jahre 2009/2010 erschien plötzlich auf vielen Jahreskontoauszügen der Sparer bei Prämiensparverträgen von Sparkassen ein „Fälligkeitsdatum“. Gleiches wird häufig in Vertragsübersichten für den Kunden (sog. Kundenfinanzstatus) oder im Online-Banking ausgewiesen. Dieses betrug häufig 99 Jahre (1188 Monate) ab Vertragsschluss. Es sind aber auch 25 oder 30 Jahre anzutreffen.
Obwohl das OLG Dresden (18.04.2019 – 8 U 52/19) und das OLG Naumburg (16.05.2018 – 5 U 29/18) dem bereits recht früh keine vertragsändernde Bedeutung beimaßen, wird kundenseitig damit häufig argumentiert.
Das OLG Celle erkennt zwar, dass auch nachträgliche Vertragsänderungen vorgenommen werden können, bezweifelt aber den Rechtsbindungswillen zur Verlängerung der Laufzeit mit folgenden Worten:
„Es fehlt aber an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die bloße Angabe einer Fälligkeit in dem Jahreskontoauszug, die im Widerspruch zum sonstigen Vertragsinhalt steht, als Angabe des Zeitpunktes gemeint sein sollte, zu dem die Beklagte das Vertragsverhältnis durch einseitige Erklärung frühestens würde beenden können (ebenso: OLG Dresden, Urteil vom 18. April 2019 – 8 U 52/19 -, Rn. 51 f., juris; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Mai 2018 – 5 U 29/18 -, Rn.61, juris; Surowiecki/ Trappe, a.a.O.).“
Entscheidend dürfte dabei sein, dass nicht „frühestens“ eine Kündigung zu diesem Zeitpunkt möglich ist. So hatten es auch schon andere Gerichte entschieden. Vielmehr kann es sich auch um den„spätesteten“ Kündigungszeitpunkt handeln.
Viele Kunden beziehen sich auf ein Urteil des OLG Dresden vom 21.11.2019 (8 U 1770/18) und verkennen dabei , dass der dort entschiedende Sachverhalt eine völlig andere Grundlage hatte. In dem dort zu entscheidenden Vertrag war ausdrücklich eine Laufzeit von 99 Jahren in den Vertrag aufgenommen worden und damit Vertragsbestandteil geworden. Dies ist häufig dann erfolgt, wenn die Sparverträge auf eine andere Vertragspartei (durch Erbfälle oder Übertragung an Familienangehörige) übertragen wurden und bestimmte Vertragsformulare verwendet wurden.
Auf diesen Unterschied weist das OLG Celle auch deutlich hin.
II. Vertragliches Kündigungsrecht der Sparkasse aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen
Wie auch der BGH in seinem Urteil vom 14. Mai 2019 (Az. XI ZR 345/18), erkennt das OLG Celle ein vertragliches Kündigungsrecht der Sparkasse aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen an.
Durch das AGB-Urteil des BGH vom 27.04.2021 (Az: XI ZR 26/20) wird jetzt vielfach angezweifelt, dass diese Kündigungsregelung wirksam Vertragsbestandteil geworden ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dieser Einschub mit dem „sachgerechten Grund“ erst nach einem BGH-Urteil vom 05.05.2015 im Wege des AGB-Änderungsmechanismus eingeführt wurde.
Nach der Auffassung des OLG Celle kommt es zu Recht darauf nicht an. Denn ohne vertragliche Vereinbarung gelten die gesetzlichen Regelungen. Nach der Entscheidung des BGH vom 14.05.2019 handelt es sich bei dem Prämiensparvertrag um einen unregelmäßigen Verwahrvertrag nach § 700 BGB. Dieser ist gem. §§ 700 Abs. 1 S. 3, 696 S. 1 BGB aber grundsätzlich vom Verwahrer (Sparkasse) jederzeit kündbar. Das wäre also eigentlich schlechter als die vertragliche Regelung. Aber das OLG Celle führt dann überzeugend weiter aus, dass man dann ebenfalls die grundlegende Überlegung des BGH berücksichtigen muss. Dies bedeutet, dass auch bei gesetzlichem Kündigungsrecht ein Kündigungsausschluss bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe angenommen werden muss. Gleichzeitig wird man auch einen sachgerechten Grund voraussetzen müssen.
Folglich ist es also hier also egal, ob Grundlage für die Kündigung der Vertrag oder das Gesetz ist.
1. Sachgerechter Grund
Das OLG Celle äußert sich auch zum Vorliegen eines sachgerechten Grundes. Da es hierzu aufgrund der recht neuen Regelung noch wenig Rechtsprechung gibt, sind die Ausführungen umso bedeutender.
Viele sind nämlich der Auffassung, dass ein „sachgerechter“ Grund dem „wichtigen“ Grund für die außerordentliche Kündigung gleichzusetzen ist. „Wichtige“ Gründe müssen dazu führen, dass den Parteien die Fortführung des Vertrages nicht mehr zumutbar ist.
Das OLG Celle grenzt dagegen anders ab (Rz. 34):
An den „sachgerechten“ Grund nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen sind weniger hohe Anforderungen zu stellen als an einen wichtigen Grund nach § 314 BGB (vgl. Bunte, AGBBanken, 5. Aufl., Nr. 26 AGB-Sparkassen Rn. 85). Die Kündigungsmöglichkeit nach dieser Regelung setzt lediglich voraus, dass die Sparkasse aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform und der damit verbundenen Verpflichtung zur Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge nicht gegen das Willkürverbot verstößt, sondern einen sachlichen Grund für ihre Entscheidung hat. Die Kündigung muss aus kaufmännischer Sicht nachvollziehbar und darf nicht willkürlich sein (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Mai 2018 – 5 U 29/18 -, Rn. 64, juris; OLG Dresden, Urteil vom 18. April 2019 – 8 U 52/19 -, Rn. 53 ff., juris).
Hierzu führt das Gericht in Rz. 32 aus:
Ein sachgerechter Grund ist gegeben, wenn die Umstände, die die Sparkasse zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der Sparkasse für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – XI ZR 345/18 -, Rn. 45, juris; Bunte, AGB-Banken, 5. Aufl., Nr. 26 AGB-Sparkassen Rn. 85).
Unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung besteht ein solcher sachgerechter Grund bei verändertem Zinsumfeld, welches sich zwar nicht aufgrund der variablen Verzinsung negativ auf das Vertragsverhältnis auswirkt, aber der Sparkasse die jährliche Prämienzahlung erschwert (Niedrigzinsphase).
Keine Notwendigkeit einer individuell-konkreten Betrachtung
Eine konkrete Beweis- oder Darlegungspflicht dieser Erschwernisse trifft die Sparkasse jedoch nicht.
Gegen diese Auffassung wehren sich die Sparer vehement.
Sie fordern eine individuell-konkrete Betrachtung eines jeden Prämiensparvertrags, um die tatsächliche Erschwernis der Sparkasse ausreichend beweisen zu können.
All diese Anforderungen sieht das OLG Celle nicht.
Die Niedrigzinsphase wirkt sich sowohl auf die abstrakte Gesamtheit sämtlicher betroffener Vertragsbeziehungen aus als auch auf jeden einzelnen Vertrag. Diesbezüglich ist auch gerichtsbekannt, dass sich alle Sparkassen und Banken seit Jahren (zumindest seit der Bankenkrise von 2007) in einem Niedrig- und Negativzinsumfeld befinden, das eine Fortführung der hochverzinslichen Anlageprodukte aus den 1990er Jahren wegen der fehlenden Refinanzierungsmöglichkeiten nicht mehr rechtfertigt.
Keine Willkürlichkeit der Kündigung
Ferner bemängelt die Kundenseite die Willkürlichkeit der Kündigung, da die gesamthistorische Zinsentwicklung schon bei Auflage des Sparprodukts in den 1990er Jahren darauf hingedeutet habe, dass die Zinsen weiterhin kontinuierlich sinken. Das OLG Celle sah die Vorhersehbarkeit als nicht gegeben an.
Die Anforderung an einen sachgerechten Grund begrenzt sich lediglich darauf, dass die Kündigung nicht willkürlich erfolgen und aus kaufmännischer Sicht nachvollziehbar sein soll. Dies sieht das OLG Celle dadurch als erfüllt an, dass die Sparkasse nicht wahllos vereinzelte, sondern sämtliche Prämiensparverträge kündigt.
Keine Notwendigkeit des Abschlusses von Zinsabsicherungsgeschäften
Die Kläger bemängelten zudem, die Sparkasse hätte die etwaigen Erschwernisse durch den Abschluss von Zinsabsicherungsgeschäften (Zinsderivaten) vermeiden können, was offensichtlich nicht erfolgt ist.
Das OLG Celle sprach sich zudem gegen eine Pflicht der Sparkasse zum Abschluss von Zinssicherungsgeschäften aus. In Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung nimmt auch das OLG an, dass die Zinsänderung bei Abschluss des Prämiensparvertrags für die Sparkasse nicht vorhersehbar war. Demnach ist schon nicht ersichtlich, woraus sich eine solche Verpflichtung der Sparkasse zum Abschluss solcher Zinsderivate ergeben sollte.
Keine vergleichsweise hohe Belastung des Sparers
Bei der Interessenabwägung zwischen den berechtigten Belangen der Sparkasse und denen des Sparers ist auch zu berücksichtigen, dass die Belastung des Sparers durch die Kündigung vergleichsweise gering ist.
2. Keine Verwirkung oder Rechtsmissbrauch
Wie der BGH kommt auch das OLG nun zu dem Ergebnis, dass das Kündigungsrecht der Sparkasse aus Nr. 26 AGB-Sparkassen auch nicht durch Verwirkung oder Rechtsmissbrauch ausgeschlossen ist. Beide Gerichte qualifizieren die Kündigung nicht als rechtsmissbräuchlich und auch eine Verwirkung durch die nach Entstehung der Niedrigzinsphase oder nach Erreichen der Prämienhöchststufe verstrichene Zeit bis zur tatsächlichen Kündigungserklärung der Sparkasse schließen sie aus.
Entscheidend ist vielmehr, dass bei Dauerschuldverhältnissen ein Kündigungsrecht vertragsimmanent ist, auch wenn es hier bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen gilt.
III. Fazit
Durch die ausführliche und gut begründete Entscheidung dürfte klar sein, dass Kündigungen von Prämiensparverträgen im Regelfall rechtlich nicht angreifbar sind.
Ähnlich wie das OLG Celle haben für bestimmte Teilaspekte auch schon viele andere erstinstanzliche Gerichte entschieden.