Aufruf zur Überprüfung bei Prämiensparverträgen bedenklich

Am 02.12.2020 hat die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) eine Pressemitteilung zu Prämiensparverträgen veröffentlicht, in der sie in Ihrer Aufgabe als Aufsichtsbehörde der Banken über das Ziel hinaus geschossen ist. Auf ihrer Homepage ruft sie die Sparer von Prämiensparverträgen dazu auf, ihre Verträge von Verbraucherzentralen oder Anwälten überprüfen zu lassen und Ansprüche geltend zu machen. Dieser Aufruf der BaFin wird mittlerweile, mit etwas Zeitverzögerung, durch diverse andere Medien aufgegriffen.

Diese Maßnahme wäre nicht zu beanstanden, wenn die Rechtslage klar wäre, d.h. den Sparern tatsächlich Ansprüche gegen die Banken zustünden. Jedoch sind hier längst nicht alle Aspekte eindeutig und höchstrichterlich geklärt.

[pullquote align=“right“]Hintergrund der Pressemitteilung sind laut der BaFin gescheiterte Verhandlungen mit den Verbänden der Kreditwirtschaft.[/pullquote]

Diese sehr offensive und nicht übliche Vorgehensweise der BaFin verwundert nicht nur, sondern ist auch rechtsstaatlich bedenklich. Die BaFin greift damit offensichtlich Entscheidungen des BGH vor, die derzeit beim dortigen XI. für Banksachen zuständigen Senat anhängig sind. Oder ist es sogar ihr Ziel, den BGH zu beeinflussen?

Hintergrund

Hintergrund ist eine bereits seit längerer Zeit bestehende (verbraucherschutz-) politische Aufmerksamkeit zu Zinsanpassungsklauseln der Kreditwirtschaft sowohl im Kredit- als auch im Sparbereich, die sich durch verschiedene kleine Anfragen der Oppositionsparteien an die Bundesregierung äußerte. Auch bei den Zivilgerichten ist dieser Frage durch Rechtsstreite nach den zahlreichen Kündigungen von Prämiensparverträgen viel Aufmerksamkeit zuteil geworden.

Bestätigt sieht sich die BaFin in ihrer Rechtsauffassung durch die Entscheidung des OLG Dresden in einer Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig (5 MK 1/19), in der das OLG Dresden zu vielen offenen Punkten bezüglich Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen Stellung bezieht. Diese und zwei weitere Musterfeststellungsklage des OLG Dresden sind zwischenzeitlich beim BGH anhängig. Beim Bundesamt für Justiz sind derzeit noch weitere Verfahren bezüglich der Zinsanpassungsverfahren von Prämiensparverträgen anhängig. Außerhalb von Sachsen ist es ein Verfahren gegen die Sparkasse Nürnberg vor dem ObLG München und gegen die Saalesparkasse (Halle) vor dem OLG Naumburg.

Das erste Urteil des OLG Dresden ist in vielen Punkten angreifbar, wie ich bereits hier ausgeführt habe. Sehr intensiv mit den offenen Fragen in Sachen Prämiensparen hat sich Prof. Herresthal in einem zweiteiligen Aufsatz in der WM 2020 (1949 und 1997) auseinandergesetzt und widerspricht dem OLG Dresden ebenfalls in vielen Punkten.

Gewaltenteilung

Die BaFin täte gut daran, als Organ der Exekutive ihre Rolle in der Gewaltenteilung zu beachten und zuerst eine Entscheidung des BGH (Judikative) abzuwarten, bevor sie selbst einseitig ihre eigene Rechtsauffassung durchsetzen will. Es handelt sich hier nämlich nicht um die Frage von sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im Rahmen des Bankaufsichtsrechts, sondern um zivilrechtliche Normen, deren Auslegung den Zivilgerichten zugewiesen ist. Solange hier keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt oder die gesetzliche Regelung eindeutig ist, ist der Anwendungsbereich des von ihr zitierten § 4 FinDAG nicht eröffnet. Auch liegt keine rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeit ihres Handelns vor.

Die BaFin will hier offensichtlich umstrittene Rechtsfragen bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung durch den von ihr erzeugten Druck gegenüber den Instituten  eigenmächtig entscheiden. Dies steht ihr aber als Exekutive – zumindest noch – nicht zu, auch nicht im Rahmen von § 4 FinDAG. Sie zieht offensichtlich nicht in Betracht, dass ihre Rechtsauffassung vom BGH anders beurteilt werden könnte und will nun „auf Biegen und Brechen“, sogar mit aufsichtsrechtlichen Maßnahmen gegen Sparkassen vorgehen.

[pullquote align=“left“]Der Vorstoß der BaFin dürfte die Sparer nur verunsichern und ggf. falsche Erwartungen schüren.[/pullquote]

Zu den Voraussetzungen des § 4 FinDAG nehme ich in einem weiteren Artikel ausführlich Stellung.

Zudem besteht für ihr Eingreifen kein Bedarf, da durch die seit 2018 bestehende Möglichkeit der Musterfeststellungsklage die Verbraucher ihre Rechte einfach wahren können.

Dass die Verbraucherverbände dies hier auch tun, zeigen die vielen wegen Prämiensparverträgen anhängigen Musterfeststellungsklagen (s. Klageregister beim Bundesamt für Justiz www.bundesjustizamt.de).

Wirtschaftliche Auswirkungen

Dabei sollte auch die wirtschaftliche Komponente im Auge behalten werden. Der BGH hat es in seinem Urteil zur Kündigung von Sparverträgen vom 14.05.2019 ausdrücklich als sachgerechten Grund angesehen, dass sich die Banken aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsniveaus von diesen Sparverträgen lösen. Der BGH hat die wirtschaftliche Notwendigkeit also erkannt.

Diese Verträge wurden flächendeckend und in großer Zahl abgeschlossen. Selbst bei relativ geringfügigen Erstattungsbeträgen pro Vertrag, kommen selbst kleinere Institute schnell auf Erstattungsbeträge in Millionenhöhe. Gleichzeitig warnt die BaFin aber auch vor den zu erwartenden Kreditausfällen durch die Corona-Krise.

Es stellt sich also wirklich die Frage, welche Motivation die BaFin hier antreibt. Ich überlasse es Ihnen, hierüber zu mutmaßen.

Über einen Austausch hierzu würde ich mich freuen. Kontaktieren Sie mich gerne unter kh@bankjuristin.de.

Über einen Austausch hierzu würde ich mich freuen. Kontaktieren Sie mich gerne unter kh@bankjuristin.de.

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