Kaskadenverweis – Wertersatz – Rechtsmissbrauch – Annahmeverzug

In 3 neueren Entscheidungen hat sich der BGH weiter mit dem Widerruf von Kfz-Darlehensverträgen befassen müssen. (Beschluss vom 13. 6. 2020, AZ: XI ZR 491/19; Urteil vom 27.10.2020, AZ: XI ZR 498/19 und XI ZR 525/19).

Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag als verbundenes Geschäft

In der Entscheidung vom 23 6. 2020 wird die umstrittene Frage geklärt, ob es sich bei einem mitfinanzierten Restschuldversicherungsvertrag auch dann um ein verbundenes Geschäft handelt, wenn der Darlehensnehmer nur einem Gruppenversicherungsvertrag beitritt, den die darlehensgebende Bank und der Versicherer geschlossen haben.

Der BGH bejaht die Annahme des verbundenen Geschäfts, da der Verbraucher 2 selbstständige Verträge schließt und somit der gesetzgeberische Zweck des Aufspaltungsrisikos in verschiedene Verträge erfüllt ist.

Angabe der Aufsichtsbehörde

In Bezug auf die Angabe der Aufsichtsbehörde reicht es aus, wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genannt ist.

 

Kaskadenverweis/Gesetzlichkeitsfiktion

Entscheidender ist jedoch, dass der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung gemäß Beschluss vom 19.3.2019 (XI ZR 44/18) abweicht, nachdem die Entscheidung des EuGH zum sogenannten Kaskadenverweis am 26.03.2020, AZ: C 66/19 ergangen ist.

Es bleibt zwar bei der Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB. Aber auf diese kann sich ein Kreditinstitut nur berufen, wenn es das Muster gemäß Anlage 7 zu Art. 247 § 6 EGBGB ohne Abweichungen umsetzt.

Im konkreten Fall hatte die Bank in der Widerrufsinformation bei den verbundenen Geschäften sowohl den Kfz-Kaufvertrag als auch den Restschuldversicherungsvertrag als verbundene Geschäft in der Widerrufsinformation genannt, obwohl eine Restschuldversicherung nicht abgeschlossen wurde. Aus diesem Grund kann sich die Bank nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion beziehen mit der Folge, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat.

Der BGH verlangt mit Bezug auf die Gesetzesbegründung, dass die Gestaltungshinweise aus der Muster-Widerrufsinformation stets an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden müssen. Die Gesetzlichkeitsfiktion soll nur eintreten,  wenn der Darlehensgeber das Muster richtig ausfüllt und wie für den betreffenden Vertrag vorgegeben verwendet. (BT-Drucksache 17/1394, Seite 27, linke Spalte).

Gleichwohl verweist der BGH in der Entscheidung zum AZ: XI ZR 498/19 in Rz. 18 darauf, dass optionale Bestandteile in der Widerrufsinformation zulässig sind, wenn hinreichend konkret angegeben ist, ob sie einschlägig sind. In diesen Fällen steht die Musterkonformität nicht infrage. Er verweist dabei auf seine diesbezügliche Entscheidung vom 23.12.2016 (AZ: XI ZR 101/15).

Insofern ist zu erwarten, dass die jeweils minimal unterschiedlichen Konstellationen der anderen Kfz-finanzierenden Banken ebenfalls noch der höchstrichterlichen Überprüfung zugeführt werden, um dort Rechtsklarheit im Einzelfall zu haben.

Wertersatz

Endlich hat der BGH auch die umstrittene Frage entschieden, mit der viele Verbraucherkanzleien ihre Mandanten eingeworben haben. Ist bei Rückgabe des Fahrzeugs nach Widerruf bei einem Darlehensvertrag nach dem 13.6.2014 noch ein Wertersatz an die Banken zu leisten oder nicht.

Diese Frage hat der BGH zugunsten des Wertersatzes für die Bank entschieden, sofern diese in der Widerrufsinformation auf eine etwaige Wertersatzpflicht hingewiesen hat. Dies ist aber ganz überwiegend der Fall.

3 weitere Entscheidungen  des BGH zum Widerrufsrecht von Kfz-Darlehensverträgen

Nicht anwendbar ist die sogenannte Wertverzehrmethode, die eine lineare Teilwertabschreibung aus dem Verhältnis der während der Vertragszeit gezogene Nutzungen zu der Gesamtnutzungsdauer der Sache vornimmt und damit im Ergebnis einen Nutzungswertersatz darstellt (Rn. 40, AZ: XI ZR 498/19)

Annahmeverzug/Vorleistungspflicht

Auch in einem weiteren Punkt hat der BGH Klarheit geschaffen. Er hat nochmals klargestellt, dass der Verbraucher mit der Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs vorleistungspflichtig ist. Um die Bank in den Annahmeverzug zu bringen, reicht ein wörtliches Angebot nicht aus, vielmehr handelt es sich um eine Bring- oder Schickschuld. Dies bedeutet, dass der Schuldner dem Gläubiger (Bank) die Sache an dessen Wohnsitz anbieten oder an ihn absenden muss.

Damit einher geht auch, dass dem Verbraucher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen die Bank auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten  zusteht.

Rechtsmissbrauch

Völlig überraschend hat der BGH sich außerhalb der Verwirkung zu der Frage des Rechtsmissbrauchs gemäß § 242 BGB geäußert. Da diese Frage immer eine tatrichterliche Würdigung benötigt, wurde insoweit die Klage an das OLG zurückverwiesen.

Der BGH hält einen solchen Rechtsmissbrauch des Verbrauchers für möglich, wenn eine formale Rechtsstellung missbräuchlich ausgenutzt wird. In diesem Zusammenhang kann zu berücksichtigen sein, dass dem Kläger im Rahmen der Vertragsgespräche auch der Abschluss einer Restschuldversicherung angeboten worden war, die er dann aber nicht abgeschlossen hat. Daher sei für ihn klar erkennbar, dass die Muster-Widerrufsinformation mit der Erstreckung auf diesen Restschuldversicherungsvertrag für seinen konkreten Fall überflüssig war. Der BGH hält es weiter für einen zu bewertenden Umstand, dass der Kläger das Widerrufsrecht ausgeübt hat, um das Fahrzeug nach längerer bestimmungsgemäßer Nutzung zurückgeben zu können, ohne auch – was er zu Unrecht meint – zum Wertersatz verpflichtet zu sein (Rz. 28).

Bewertung

Die zu Zeiten der BGB-Infoverordnung maßgebliche Diskussion kehrt zurück. Inwiefern darf eine Bank ergänzende oder erläuternde Abweichungen von der Muster-Widerrufsinformation vornehmen, ohne den Schutz der Gesetzlichkeitsfiktion zu verlieren? Bekanntermaßen war der BGH bei der Widerrufsbelehrung nach der BGB-InfoV (bis 10.06.2010) streng. Aufgrund der jetzt mit Gesetzesrang ausgestalteten Musterwiderrufsinformation und den bisherigen Beschlüssen vom 31.03.2020 zu der EuGH-Entscheidung vom 26.03.2020 kann durchaus eine etwas großzügigere Auslegung erwartet werden.

Einen Beitrag zu den Beschlüssen des BGH vom 31.03.2020 im Nachgang zum EuGH-Urteil können hier lesen. Zur EuGH-Entscheidung ist dieser Beitrag interessant.

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